Potsdamer Persönlichkeiten – Johanna Neuperdt

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MAZ, 25.06.2022

Potsdamer Persönlichkeiten
Potsdams erste Denkmalschützerin
Johanna Neuperdt hat die städtische Behörde seit 1977 aufgebaut – ein Nachruf

Peter Degener

Die Trauerhalle auf dem Jüdischen Friedhof wäre abgerissen worden, das Haus „Im Güldenen Arm“ in der Elflein-Straße auch, sogar die kleine Teufelsgrabenbrücke in Bornstedt stand in den achtziger Jahren auf der Abrissliste. Johanna Neuperdt rettete diese und viele andere Denkmäler in Potsdam , setzte sich für die Sanierung ein. „Potsdam wäre ohne sie heute nicht so schön“, sagt Simone Hennig, die lange unter Neuperdt als Denkmalpflegerin arbeitete.

„Sie hat dafür gesorgt, dass man ins Detail guckt und die Originalsubstanz so weit wie möglich behält. Dabei war sie engagiert, konnte aber auch sehr schwierig sein, wenn Eigentümer nicht kompromissbereit waren“, sagt Hennig. Doch Johanna Neuperdt hatte eine besondere Herangehensweise, um mit Bauherren über ihre Pläne zu reden. „Die Menschen wurden in die Denkmale eingeweiht. Ihnen wurde bewusst gemacht, dass es nicht nur um die Fassaden nach außen geht, sondern auch um die Materialien im Inneren. Sie hat sich regelrecht Nächte um die Ohren geschlagen, um jungen Architekten oder Bauherren Vorschläge machen zu können, wie sie ein Denkmal erhalten und zugleich ihre Wünsche erfüllen können.“

Über ihren Werdegang vermögen Kollegen und auch das Potsdamer Rathaus nicht viel zu sagen. Sie stammte aus Sachsen, hatte an der Bauhochschule Leipzig ein Studium zur „Fachfrau für konstruktiven Ingenieurbau“ absolviert und kam 1969 nach Potsdam , wo sie beim Wohnungsbaukombinat die Umgestaltung der Breiten Straße in eine „sozialistische

Magistrale” mit vorbereitete. 1975 gab es erstmals ein Denkmalschutzgesetz in der DDR – und damit wurde auch der Aufbau entsprechender Behörden in den Kommunen und Kreisen nötig. 1977 übernahm Johanna Neuperdt diese Aufgabe und rettete viele Denkmäler vor dem Abbruch. In Dresden bildete sie sich in Architekturtheorie und zur Denkmalpflegerin weiter.

Der Architekturhistoriker Thomas Sander sagt über sie: „Sie hat die Standards eingeführt, wie mit historischer Substanz umgegangen werden sollte. Da hat sie viel vorweggenommen. Etwa möglichst Bauteile wie Fenster und Türen zu bewahren, die im Westen bei Sanierungen oft noch verloren gingen.“

Auch innerhalb der Verwaltung hat sie Standards gesetzt, von denen Potsdam als Welterbe-Stadt mit Tausenden Denkmälern bis heute zehrt. Ihr langjähriger Kollege Jörg Limberg sagt: „Ihr großes Verdienst ist der Aufbau dieser Behörde in so großer Stärke. Sie hat gleich nach der Wende Politik und Verwaltung mobilisiert und für eine gute Ausstattung gesorgt.“ Zugleich wollte sie von allen Mitarbeitern, dass sie sich nicht nur auf ihre eigenen Aufgaben fokussieren – in Neuperdts Fall die Altstadt sowie die Jäger- und Nauener Vorstadt – sondern immer ganz Potsdam im Blick behalten. Von der Wiedervereinigung bis zu ihrem Vorruhestand 2006 war sie dabei nie die Leiterin, sondern stets Vize-Chefin der Behörde.

Als sie schon nicht mehr im Dienst war, geriet Neuperdt dennoch in die Schlagzeilen. Sie wohnte mit ihrer Familie im Gärtnerhaus der Villa Gutmann am Jungfernsee – und hatte dort bereits Anfang der Neunziger Jahren einen verfallenen Keller ausgebaut – nach Ansicht der Nachbarn und auch von Gerichten handelte es sich um einen Schwarzbau, für Neuperdt war es eine Renovierung, die keiner Genehmigung bedurfte. In den letzten Jahren trat Johanna Neuperdt nicht mehr in Erscheinung. Ihr Vermächtnis für Potsdam bleiben die Bauten und Details, die ohne ihr Engagement verschwunden wären. Anfang Juni ist Johanna Neuperdt mit 78 Jahren in Potsdam verstorben.