Landesbuchkunstausstellung in der Potsdamer Stadt-und Landesbibliothek

Die Zeiten ändern sich.

Dieser Beitrag scheint älter als 2 Jahre zu sein – eine lange Zeit im Internet. Der Inhalt ist vielleicht veraltet.

Ich freue mich auf einen besonderen Termin am 20. April 2024 in der SLB
Potsdam. Dann findet nach einer Pause die 2. Landesbuchkunstausstellung
statt und sie verdient viele Besucher.

Landesbuchkunstausstellung ist ein langes Wort, aber es sagt in diesem
Fall wirklich aus, was wir erwarten können. Bücher-Kunstwerke, die in
der Stadt-und Landesbibliothek gezeigt und gern auch gekauft werden.

So ganz „nebenbei“ steht auch die Frage im Raum – welche Zukunft haben
Bücher. Denn das es eine Zukunft für sie gibt, ist für mich nicht klar.
Mich haben sie mein Leben lang begleitet, privat und im Berufsleben. Und
das hat offiziell am 31.3. ein Ende gefunden und damit auch meine Arbeit
in der Bibliothek und mit Büchern. Es war eine tolle Arbeit, auch wenn
sich die Einstellung zu gedruckten Dingen in den letzten Jahren sehr
verändert hat. Auch weil sich ja alles Online findet, was natürlich
nicht der Fall ist, und die Notwendigkeit von Bibliotheken und Büchern
bezweifelt wird.
Nun bin ich also frei von Zwängen und kann mich an gedruckten Dingen
erfreuen. Und die finde ich bestimmt auf der Landesbuchkunstausstellung
in Potsdam. 

Was genau erwartet die Besucher ?

Dazu Hans Jörg Rafalski, der Organisator der Veranstaltung. „Am Nachmittag des 20. April werden dreizehn Büchermacherinnen und -macher aus Brandenburg nacheinander die Bühne besteigen und steckbriefhaft eines ihrer jüngsten Werke vorstellen. Gefragt danach, wie sie ihre Vorträge einleiten möchten, haben sie mir neugierig machende Textschnipsel geschickt, die ich nachfolgend aufliste. Sie legen uns die Vielfalt der brandenburgischen Büchermacher offen, ihrer Themen und Stile, ja sogar ihrer Auffassungen vom Buch, die sich gar nicht gleichen.“

Ihm haben die Aussteller auch ihre Gedankenwelt näher gebracht. 

Albrecht Walters Website blickt einen fast weiß, also vacat an. Man sucht erstaunt nach mehr, aber er schreibt dazu, das mehr schon zu viel wäre. Er möchte uns offensichtlich mehr Fragen an sich aufgeben, als Antworten bieten. Ein Buchautor, der sich im Zeitalter der Überinformation vielleicht als Geheimnis bewahren möchte? »Ich öffne sie vorsichtig, diese schöne Buchschachtel, auf der zu lesen ist: UNGEBUNDEN«, stellt er sein aktuelles Werk vor, das schon die Definition unseres Begriffs vom Buch zu verlassen scheint. »Und da kommen sie mir auch schon entgegengeflogen, all die ungebundenen Blattkarten. Fein bedruckt mit eigenartigen Zeichnungen und nicht minder eigenartigen Geschichten verteilen sie sich frei und ungebunden in meinem Zimmer. Gleich beginne ich, einige anzuschauen und zu lesen. Und schon fliegen sie aus mir heraus, lauter ungebundene Gedanken, die sich mit der einen oder anderen Blattkarte verbunden fühlen, und sich gern zu ihnen legen …«

 

Die beiden Autoren der jüngsten Neuerscheinung aus dem Aufland Verlag, Kenneth Anders und Lars Fischer, wissen, worüber sie schreiben, wenn sie an ein Buch über die »Jugend« im Oderbruch gehen. Sie sitzen mit dem Verlag und dem von ihnen aufgebauten Oderbruch Museum mittendrin. »Es geht um Jugendliche im Oderbruch im Jahr 2023«, schreibt Lars Fischer, »ausgehend von den größten denkbaren Unterschieden: Jugendliche in Freiheit und in der Justizvollzugsanstalt; solche mit einem ausgeprägten familiären Umfeld und andere, deren gewachsener sozialer Kontext brüchig oder gänzlich zerfallen ist; Tänzerinnen und Treckerfahrer, Musikerinnen und Aktivisten, engagierte und private, laute und leise junge Menschen, auf dem Weg in eine Lehre vor Ort oder in die großstädtischen Universitäten. Es wird kein Normalfall konstruiert, sondern von der Verschiedenheit ausgegangen, das ist das erste Mittel gegen vorschnelle Urteile. Diese Geschichten erfassen beileibe nicht alle Spielarten des Lebens, aber man bekommt einen Sinn für die blinden Flecken, für das Unsichtbare und Unausgesprochene, für den Abstand zwischen Landmaschinenschlosserei und Graffiti …«

Matthias Gubig entstammt der Buchgestaltungstradition jenes untergegangenen Landes, in dem Büchern beinahe der Rang heiliger Reliquien zukam. Bestand so vieles in diesem Land aus erstarrtem grauem Beton, in seinen Büchern konnte dafür mitunter all der Wille zum Gestalten, zum Fantasieloslassen, zum Einfärben ausbrechen. »Bei einer meiner nächtlichen Wanderungen durch unwirkliche Gegenden«, schreibt er über einen Weg, der ihn offensichtlich durch ein anderes untergegangenes Land führte, »gelangte ich an ein großes, von gewaltigen Säulen gerahmtes Tor – darüber, in griechischen Lettern gemeißelt, die Aufschrift: Z O O L O G I K O S K I P O S . Nach einigem Zaudern ging ich hinein …«

Hans Jörg Rafalski fällt in seinen Büchern, wenn nicht darauf abzielend, dann eben per Zufall immer auf wahre Geschichte zurück. Er liebt es, faktische Geschichte in Bilder zurück zu versetzen, würde die Wirklichkeit der Fiktion jederzeit als spannender vorziehen. »Als 2022 in einem der ältesten Häuser Greifswalds eine unter dem Kram der Zeit vergrabene Truhe voller Bleistiftzeichnungen zum Vorschein kam, war schnell klar, dass die sich zusammen genommen zu einer Zeit- und Bilderreise durch Vorpommern und Mecklenburg des 19. Jahrhunderts fügen. Im Prozess der Aufnahme der Zeichnungen, ihrer Katalogisierung begann mit einem Mal aber alles, was folgte, wundersame Brücken zu Caspar David Friedrich zu bauen …«

Der erst 2022 unter den besten deutschen Verlagen preisgekrönte Passanten Verlag ist außergewöhnlich. Er passiert uns auf einer Brücke, die er zwischen unserer Welt und einer vielen schwer vorstellbaren baut, wo man einfacher Sprache bedarf. Die Passanten fungieren als Mittler auf dieser Brücke. »Das letzte Sonnenlicht hüllte den Abend in warmes Rot. Aus dem Tal drang das Rauschen der Donau zu uns herauf. So standen wir nun beisammen und wussten nicht, was wir sagen sollten.«

Rainer Ehrt ließe sich vielleicht gerne als ein Lustwandler bezeichnen, womit sich seine Inhalte wie seine Strichführung in gleicher Weise treffen ließen. Einen Lustwandler zwischen Karikatur und Grafik, zwischen Barock, Klassik und Gegenwart, zwischen schwer und leicht, preußisch und lasziv. »Bisweilen finden sich in den Schluchten und Gipfellandschaften Kafkascher Prosa regelrechte graphische Anweisungen«, steigt er in die Vorstellung seines neuen originalgraphischen Künstlerbuches ein. »Wir graben den Schacht von Babel, entdeckt man da beispielsweise, eine Steilvorlage für mich als Zeichner. Der Siebdruck oder dessen künstlerische Variante Serigraphie ist eine verhältnismäßig junge graphische Disziplin, aber die Sattheit und der Pigmentreichtum, welche hier möglich sind, ist von keiner anderen Drucktechnik zu erreichen. Mein Ziel bei diesem neuesten meiner Künstlerbücher war, kalligraphisches Schreiben der Texte und davon inspirierte Zeichnungen zu symbiotischer Verbindung zu bringen …«

Der Cottbuser Rudolf Sittner ist zu jenen Buchkünstlern zu zählen, die auf den Spuren mittelalterlicher Mönche ihre Buchtexte tatsächlich noch handschriftlich anlegen, illustrieren und illuminieren. Er ist ein Schriftmaler im authentischsten Sinn und darin Angehöriger einer nur noch sehr dünn siedelnden Spezies aus der Vorzeit des Computers. »Mexico saugt dich an, du kannst nicht widerstehen. Dieses Land musst du lieben …«, sagt er mit einem Blick auf seine 80-seitige illuminierte Handschrift auf Papyrus über dieses Land, die er ganz in mönchischer Tradition nach dem Text eines unscheinbaren Reclambüchleins von Alfons Goldschmidt und einer eigenen Mexicoerfahrung geschaffen hat. Er bezeichnet sie als sein Opus Magnum, das er zum ersten Mal öffentlich vorstellen wird.

 

Die goldenen und die finstersten Jahre Deutschlands, die zwar kaum ein Jahrhundert hinter uns liegen, werden sich in ihrem Möglichsein unserem Verständnis wohl nie ganz erhellen. Der Buchkünstler Steffen Thiemann begibt sich in diesen abgeschlossenen Zeitraum immer noch und wieder mit großer Neugier, sucht und findet in Texten dieser Zeit und macht uns in seinen Holzschnitt-Comics diese versiegelte Zeit vorstellbarer. »Während auf den Straßen Berlins ein Arbeiteraufstand tobt, warten der Sänger Ernst Busch und der Komponist Hanns Eisler vergeblich darauf, vom Rundfunk einen Anruf zu erhalten, um das laufende Programm aus Operettenmelodien und ,Roten Rosen’ mit revolutionären Liedern zu sprengen und so, dem Aufstand auf den Straßen die richtige Richtung zu geben …«

Der Verlag Strauss Medien illustriert eine authentische Seite Potsdams. Die Bücher des Verlages werden der Stadt, wenn man sie einmal als Gesamtwerk resümieren sollte, wie ein Gedächtnis dieser Jahrzehnte ihrer großen Verwandlung einer grauen Kriegsversehrten zurück in eine Königsresidenz erscheinen, und das sowohl fotografisch als auch in den Geschichten, die die Potsdamer zu dieser Zeit aufschreiben. »Der plötzliche Verlust seiner großen Liebe war Anlass, dieses Buch, sein erstes zu schreiben. Der Autor Stephan Velten, bekannt als bildender Künstler, reflektiert in Briefen das Leben mit seiner Frau, der weit verehrten Kabarettistin Gretel Schulze. Eine Bekundung von Liebe und Traurigkeit im Wechsel der Tagesereignisse und Erinnerungen, mitnehmend und amüsant, emotional und offen erzählt …«

Tina Flau erscheint in der Regel in Grün zu öffentlichen Auftritten. Ihr Outfit ist Programm. Ihre Themen greift sie meist aus der Natur, und zwar von jener Seite, wo die ihre Geheimnisse verbirgt. »Er ist stets perfekt rasiert, sein haarloser, gewölbter Schild glänzt intensiv grün- oder rotgolden«, stellt sie den Hauptdarsteller ihres jüngsten Werkes vor. »Er ist eine Pracht, kunstvoll aus sich überlappenden, am Auge verfugten Schilden gebaut, die Flügeldecken zeigen sich fein und zerstreut punktiert …«

Zuletzt: Das Zentralgestirn unter den brandenburgischen Buchverlagen, der Potsdamer vacat verlag. Man mag dieses Urteil in vielerlei Hinsicht so sehen, aus gestalterischer wie inhaltlicher Sicht. Immer wieder geht es bei vacat um Fragen brandenburgischer Identität und Identitätsträger des Landes, und das möglicherweise gar nicht beabsichtigt, eher mittelbar. So etwas ergibt sich im Gefolge des Wirkens von Gravitationskräften. »Angestiftet vom Unruhegeist Fontanes streifen Schriftstellerin und Fotograf durch Landschaften – durch die der  Seele und die der Mark Brandenburg …«, heißt es dort zum jüngst erschienenen bibliophilen Bändchen, das genau das schafft, nämlich eine Brücke zwischen dem ursprünglichen und dem gegenwärtigen Brandenburg zu schlagen.“

Ich denke, dass die kleinen Zitate neugierig gemacht haben. Wer zu den angesprochenen Büchern gern den Rest der Geschichte hören möchte, der ist am 20. April herzlich in den Großen Saal der Stadt- und Landesbibliothek eingeladen. Ab 13.30 Uhr stellen die Buchkünstlerinnen und -künstler, Verlegerinnen und Verleger ihre Bücher persönlich vor. Der Eintritt ist wie in der Vergangenheit frei und der Zugang barrierefrei.

Unter www.brandenburger-buecher.de finden Sie Links zu den Internetpräsentationen der Ausstellerinnen und Aussteller sowie weitere Buchkunstwerke in der Digitalen Brandenburgischen Buchkunstausstellung.

Kontakt 

Organisation und V. i. S. d. P.: Hans Jörg Rafalski Waldstraße 1 | 16248 Niederfinow
Telefon: 01520 3610235
E-Mail: mail@papierwerken.com papierwerken.com | rafalskikommunikation.com brandenburger-buecher.de

 

 

 

 

 

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